Herbst

Mario Hené

Der alte Baum vor deinem Haus zieht langsam seine Kleider aus,
so wie in jedem Jahr, doch früher hast du kaum danach geschaut.
Kinderfüße machen Herbstmusik mit dem Laub, das jetzt am Boden liegt,
und das leise Rascheln klingt dir irgendwie so sehr vertraut,
trägt dich rückwärts durch die Jahre, bis in deine Kinderzeit,
wie ein uferloses Meer, umgibt dich die Vergangenheit.
Schwankend stehst du an der Schwelle, die dich vom Grenzenlosen trennt,
fühlst, wie das Licht in deiner kleinen Lebenszelle … immer schwächer brennt.

Früher hattest du ein Ziel, so ein verzehrendes Gefühl,
das dich nicht ruhen ließ, solang es nicht befriedigt war.
Alles schien dir wichtig, hatte Sinn, immer wusstest du genau wohin
und dein Lebenshorizont erschien dir strahlend, hell und klar.
Da war nur Gegenwart und Zukunft und das Laufen fiel dir leicht,
doch, die Vergangenheit lief hinterher, jetzt hat sie dich erreicht.
Schwankend stehst du an der Schwelle, die dich vom Grenzenlosen trennt,
spürst, wie das Licht in deiner kleinen Lebenszelle … immer schwächer brennt.

Du blickst auf Gräber weit und breit, erkennst, dass dir nichts weiter bleibt,
als eine farbige Erinnerung, die bleicht, wenn du vergehst.
Suchend schaust du dich nach Zeugen um, nur ein blinder Spiegel lächelt stumm.
Da ist niemand, der dich hält, egal wohin du dich auch drehst.
Nur der Wind lauscht deinem Selbstgespräch, fährt lachend durch den Baum.
Und du hast Angst, dass da nicht mehr war, als ein halb verwelkter Traum.
Schwankend stehst du an der Schwelle, die dich vom Grenzenlosen trennt,
spürst, wie das Licht in deiner kleinen Lebenszelle … immer schwächer brennt.

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